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Reformiert/Reformierte

Wer heute versucht, die reformierte Kirche zu beschreiben, stößt auf Schwierigkeiten. "Die" reformierte Kirche gibt es nicht. Die Reformierten beziehen sich weder wie die katholischen Christen auf ein gemeinsames Oberhaupt, den Papst. Noch haben sie eine für alle gültige Grundlage an Bekenntnisschriften wie die Lutheraner mit dem Konkordienbuch. Noch eine sie kennzeichnende Lehre wie die Kindertaufe der Täufer. Dennoch gibt es zwischen den reformierten Kirchen Gemeinsamkeiten, die sie als eine Konfessionsfamilie kenntlich machen.

Da ist zunächst einmal auf liturgischem Gebiet die Schlichtheit der Gottesdienste. In reformierten Gottesdiensten liegt die Betonung auf dem Wort. Liturgische Elemente treten demgegenüber in den Hintergrund. Liturgische Gesten wie das Kreuzschlagen oder das Segnen der Gemeinde mit erhobenen Händen werden abgelehnt. Die meisten Gemeinden feiern ihre Gottesdienste ohne jede Wechselgesänge. Alle gottesdienstlichen Elemente sollen möglichst unmittelbar der Bibel entnommen sein. Auch die Lieder sind vorzugsweise in Anlehnung an biblische Gesänge verfasst. Bisweilen wurde in der Geschichte der reformierten Kirche das Singen frei gedichteter Lieder nicht gebilligt. Der Genfer Psalter dagegen ist in vielen reformierten Kirchen fester Bestandteil des Gottesdienstes. Das Glaubensbekenntnis wird bei den Reformierten – im Gegensatz zu den meisten anderen Konfessionen – nicht in jedem Gottesdienst gesprochen.
Die Schlichtheit der gottesdienstlichen Feiern spiegelt sich im Kirchsaal. Das Bilderverbot aus Ex 20,4-6 (Dtn 5,8-10) wird sehr ernst genommen. Die meisten reformierten Gemeinden lehnen Bilder in den Kirchen ebenso ab wie Kerzen oder Kruzifixe. In vielen Kirchen hängt einzig ein schlichtes Kreuz.

Die Mehrheit der reformierten Kirchen ist entweder presbyterial-synodal oder kongregationalistisch organisiert. Alle legen großen Wert darauf, dass die Kirche nicht allein von Theologen geleitet wird. Die Struktur einer reformierten Kirche ist in der Regel von unten, von der Gemeinde her, aufgebaut. Die ganze Gemeinde wählt Älteste, die im Presbyterium (Kirchenrat) gemeinsam mit den Pfarrern die Gemeinde leiten. Die Presbyterien wiederum entsenden Delegierte auf Synoden, Zusammenschlüsse mehrerer reformierter Gemeinden einer Region, die Entscheidungen über gemeinsame Belange treffen.
Kongregationalistisch verfasste Gemeinden betonen die Autonomie der Gemeinde. Oftmals finden sie sich in lockeren Verbänden zusammen, ohne zu einer größeren Kirche zu verschmelzen.

Für die verschiedenen reformierten Kirchen sind unterschiedliche "reformierte" Lehren wichtig geworden. Als reformierte Topoi gelten insbesondere die Betonung der Herrschaft und Ehre Gottes, der Bedeutung der Bibel Alten wie Neuen Testaments, die Anknüpfung an das Judentum, eine spezifische Form der Abendmahlslehre, Bundestheologie und Prädestinationslehre. Viele reformierte Kirchen zeichnen sich durch ihr diakonisches und ökumenisches Engagement aus. Das Bewusstsein, dass Gott Herr über die Erde ist und die Menschen zu seiner Ehre leben sollen, drückt sich nach reformiertem Verständnis nicht nur im individuellen Lebensstil aus, sondern auch in dem Einsatz für den Nächsten, für Frieden, und Gerechtigkeit, für das Leben.

Siehe auch:
Der Reformierte Weltbund
Kurze Geschichte der reformierten Kirchen

Judith Becker, 2005

 

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